Lieber Michi, du bist ja in der Region schon lange als Motorradsportprofi bekannt. Umso mehr hat es uns bei greensystems gefreut, dass du in unserer Heimatstadt Bad Frankenhausen deinen Fahrradladen eröffnet hast. Unsere beiden Geschäftsfelder ergänzen sich nämlich perfekt. Wir kümmern uns um die Infrastruktur, sprich Ladestationen, Stellmöglichkeiten und Repair-Stationen und du vertreibst Fahrräder und E-Bikes. Kannst du dich und dein Geschäft kurz beschreiben?
Aber sicher! Mein Name ist Michael Herrmann und ich bin Geschäftsführer des Fahrradladens KYFRAD am Kyffhäuser im Südharz. Die meisten nennen mich aber einfach Michi. Mein Team ist jung, dynamisch, zielstrebig und hat natürlich Bock auf Fahrräder. Im Februar 2021, während sich viele im Homeoffice befanden und Urlaubsreisen nur noch in der Region möglich waren, haben wir die Gelegenheit ergriffen und unseren Laden eröffnet. Seitdem bieten wir Fahrräder aller Art an und kümmern uns um Reparatur, Vermietung und alle möglichen Serviceleistungen. Wir machen Touren in der Gegend und auch der individuelle Aufbau und Umbau von Fahrrädern ist kein Problem für uns.
Das klingt super. Vor allem, da es hier viele gut ausgebaute Radwege und Ausflugsziele gibt. In diesem Interview wollen wir unsere Kunden über Gebrauch und Anschaffung von E-Bikes informieren. Wie seid ihr diesbezüglich aufgestellt?
Durch meine Erfahrung im Motorradsport, ist mir der Umstieg in die Fahrradwelt natürlich leicht gefallen. Zu Beginn hätten wir aber nie gedacht, dass E-Bikes den Großteil des Geschäfts ausmachen würden. Mittlerweile stellen sie rund 80% unseres Angebots dar. Das ist auch den vielen Berufsfahrern und Pendlern zu verdanken. In den letzten zwei Jahren sind wir darum zu echten Spezialisten auf diesem Gebiet herangewachsen.
Das freut uns zu hören. Welche grundlegenden Schritte müssen am E-Bike regelmäßig durchgeführt werden, um es im optimalen Zustand zu halten?
E-Bikes sind aufgrund ihrer mechanischen und elektrischen Bauteile mit Autos oder Motorrädern zu vergleichen. Das heißt, regelmäßiger Service und Wartung sind unheimlich wichtig. Beim E-Bike sind die Serviceintervalle deshalb auch enger strukturiert, als beim normalen Fahrrad.
Gut zu wissen. Damit rechnen wohl die wenigsten. Was muss der E-Bike-Besitzer beachten? Gibt es spezielle Pflegeanforderungen für Komponenten, wie Akku, Motor, Bremsen und Schaltung?
Der Akku ist relativ pflegeleicht. Er darf jedoch keinen Frost abbekommen. Lagertemperaturen unter 5 Grad Celsius können dem Akku schaden. Wenn das Fahrrad in kalten Räumen unter 5 Grad aufbewahrt wird, sollte der Akku ausgebaut und an einem wärmeren Ort gelagert werden. Während der Fahrt kann man den Akku bis zu einer Temperatur von -5 Grad Celsius verwenden, da er im Betriebszustand Eigenwärme entwickelt.
Beim Motor ist ganz wichtig, dass die meisten Hersteller wie Bosch, Shimano und Yamaha regelmäßige Updates für ihre Produkte herausbringen. Der Motor sollte daher vom Händler immer auf den neuesten Stand gebracht werden.
Durch die hohe Kraft, die der Elektromotor entwickelt, wird die Kette eines E-Bikes stärker belastet als bei einem normalen Fahrrad. Sie sollte alle 1500 bis 2000 Kilometer getauscht werden, da sie sonst Schaden am Antrieb verursachen kann. Je schlechter die Kette beschaffen ist, umso schlechter läuft sie auf den Zahnkränzen in der sogenannten Kassette. Diese nutzt sich dann sehr stark ab und die Schaltung lässt sich nicht mehr sauber einstellen. Die Kette sollte vor dem Ölen gereinigt und von Rückständen befreit werden. Man sollte mit dem Öl sparsam umgehen, denn die alte Maxime "Viel hilft viel!" gilt hier nicht. Das verklebt die Schaltung!
Das führt uns perfekt zur nächsten Frage: Muss man bei der Reinigung eines E-Bikes etwas beachten?
Grundsätzlich ist es möglich ein E-Bike mit normalem Wasser zu reinigen. Bei sehr starken Verschmutzungen kann man auch mit einem Hochdruckreiniger arbeiten, aber Vorsicht! Die elektronischen Bauteile sollten nicht mit zu viel Druck bearbeitet werden und es besteht die Gefahr, dass man den Dreck unter hohem Druck in die Lager und Lagersitze schiebt und er sich dort festsetzt. Ein normaler Gartenschlauch reicht zur Reinigung meist völlig aus. Bei uns im Geschäft arbeiten wir mit sauberen Lappen und einem speziellen Reinigungsschaum, der auch im Fachhandel erhältlich ist.
Welche Verschleißerscheinungen sollte man im Auge behalten, um größere Schäden zu vermeiden?
Es ist ratsam, in regelmäßigen Abständen die Speichenspannung der Räder überprüfen zu lassen.
Bei E-Bikes mit Felgenbremsen sollte man die Bremsbeläge regelmäßig überprüfen. Häufiges Bremsen kann dazu führen, dass das Felgenhorn dünn wird oder in die Felge einbricht und man mit dem Fahrrad stürzt. Bei Mountainbikes sollte man auf das Fahrwerk achten, da Gabel und Stoßdämpfer stark beansprucht werden.
Angenommen, man möchte sich ein E-Bike zulegen. Welche Vorraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es Zuhause geladen werden kann?
Um ein E-Bike aufzuladen, wird das passende Ladegerät benötigt. Das wird beim Kauf des Fahrrads immer mitgeliefert. Bitte nur dieses oder baugleiche Geräte verwenden! Es gibt für E-Bikes nämlich unterschiedliche Steckertypen und Spannungen. Ansonsten braucht es eine funktionierende Steckdose und einen sicheren Stellplatz für den Ladevorgang. Verlängerungskabel und hochbrennbare Materialien in Fahrradnähe sollte man vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit eines Elektrobrandes ist zwar ungefähr so hoch, wie im Lotto zu gewinnen, aber letzteres würde jeder von uns wahrscheinlich bevorzugen. Die individuellen Ladezeiten des Akkus sollten zudem gut geplant werden, da eine Ladung einige Stunden dauern kann. Es gibt zwar auch E-Bikes mit Schnellladefunktion, diese wirkt sich jedoch meist auch auf die Lebensdauer des Akkus aus.
Bleiben wir beim Akku: Wie oft sollte er geladen und was kann getan werden, um die Lebensdauer des Akkus zu verlängern?
Grundsätzlich ist es ratsam, denn Akku nicht ständig an das Ladegerät anzuschließen, sondern das Rad so weit wie möglich leer zu fahren, bevor man es erneut auflädt. Die meisten Akkus sind mit einem Batterie-Management-System (BMS) ausgestattet, das die Ladezyklen überwacht. Dadurch muss man sich nicht ganz so viele Gedanken über das Aufladen machen. Die Lebensdauer eines Akkus wird übrigens nicht durch das Alter, sondern die Anzahl der Ladezyklen bestimmt. Bosch gibt z. B. für seine Akkus eine Lebensdauer von 1000 Ladezyklen an. Der Akku sollte dann immer noch etwa 60 % seiner ursprünglichen Ladekapazität haben. Das entspricht durchschnittlich 40.000 gefahrenen Kilometern
Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass der Akku ersetzt werden muss und wie wählt man den richtigen Ersatzakku aus?
Das merkt man recht schnell, dass die Reichweite extrem in den Keller geht. Werden im gleichen Modus nur noch 80 statt 100 Kilometer erreicht, sollte über einen Akkuwechsel nachgedacht werden. Einheitliche Formate gibt es hier leider nicht. Jeder Akku- und Antriebshersteller kocht sein eigenes Süppchen. Welcher Akku sich für welches E-Bike eignet, erfragt ihr deshalb am besten in der Werkstatt eures Vertrauens.
Wir hatten ja schon darüber gesprochen, den Akku vor Frost zu schützen. Welche Maßnahmen sollten zusätzlich ergriffen werden, um das E-Bike vor Witterungseinflüssen, wie Regen, Schnee oder extremer Hitze zu bewahren?
Regen ist nicht wirklich schlimm. Frost ist und bleibt das größte Problem. Es gibt für Akkus und Motoren mittlerweile Neonprenüberzüge, die das Bike vor Kälte, Schnee und Spritzwasser schützen. Bei warmen Wetter sollte man auf die Displays achten, denn die vertragen extreme Temperaturen nicht so gut. Viele Displays kann man einfach abnehmen. Falls das nicht möglich ist, stellt das E-Bike im Sommer besser in den Schatten.
Wie erkennt man, ob der Motor eines E-Bikes ordnungsgemäß funktioniert und was deutet darauf hin, dass eine Reparatur erforderlich ist?
Das schöne an einem Elektromotor ist: Entweder er geht oder er geht nicht. Das Fahrrad kann zwar auch ruckeln oder klappern, aber dies kann auch auf Problem mit der Kurbel oder dem Tretlager hindeuten. Wenn Probleme mit dem Motor bestehen, muss das Fahrrad zu einem Fachhändler gebracht werden. Bitte niemals in Eigenregie daran herumschrauben! Selbst wir als Werkstatt dürfen diesen Motor nicht öffnen. Wir können in einigen Fällen mit einer Diagnosesoftware vor Ort schauen, welcher Fehler vorliegt und das Problem beheben. Meistens schicken wir den Motor jedoch zum Hersteller zurück.
Gibt es Möglichkeiten, um Reichweite und Effizienz eines E-Bikes zu maximieren?
Ja, gibt es. Die Reichweite setzt sich aus vielen Parametern zusammen. Der effizienteste Weg ist natürlich, den Motor nicht einzuschalten. Je niedriger die Unterstützungsstufe vom Motor ist, umso weiter kommt man mit dem Rad. Die Temperatur ist ein weiterer Faktor. Bei 10 bis 12 Grad erreicht das E-Bike die optimale Betriebstemperatur für den Akku. Entscheidend sind auch die Umgebungsbedingungen. Gibt es starken Gegenwind und wie ist der Untergrund beschaffen? Asphaltstraßen fahren sich viel leichter als Schotterpisten. Auf Tuning-Experimente in Eigenregie sollte man verzichten, da die Fahrräder dann nichtmehr für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind. Man verliert zudem die Gewährleistung vom Hersteller und gefährdet sich und andere Verkehrsteilnehmer.
Was darf ein E-Bike Besitzer überhaupt selbst machen und welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es zu beachten, wenn Reparaturen oder Einstellungen selbst vorgenommen werden?
Bei E-Bike-Reparaturen ist immer besondere Vorsicht geboten. Wir hören oft den Satz: "Ich habe versucht, das Problem selbst zu lösen, jetzt geht nichts mehr." Das betrifft meistens die elektrischen Bauteile und mechanisch anspruchsvolle Parts, z. B. Schaltung und Bremsen. Wie schon erwähnt, dürfen nicht einmal wir den Motor reparieren. Daher: Finger weg und lieber zum Fachmann. Mit ein bisschen Erfahrung können unbedenkliche Teile selbst ausgetauscht werden, für die kein spezielles Fachwissen nötig ist. Das Wechseln von Griffen, Pedalen und Schläuchen unterscheidet sich beim E-Bike nicht von anderen Fahrrädern.Gibt es Zubehör und Werkzeuge, die E-Bike-Besitzer immer dabei haben sollten, um kleine Pannen unterwegs zu beheben?
Eines der wichtigsten Werkzeuge bleibt das Multitool, da es alles wichtige für eine schnelle Reparatur enthält. Damit schraubt man jede Inbusschraube fest und im Idealfall ist auch noch ein Reifenheber dabei. Zusätzlich sind Ersatzschlauch und Flickset sehr nützlich. Ältere Kits funktionieren noch mit Spezialkleber. Ich empfehle aber selbstklebende Flicken. Die sind schnell angebracht und halten bombenfest.
Die meisten Wartungsarbeiten sollten also definitiv nur von einem Fachmann durchgeführt werden. Welche Angebote und Dienstleistungen bietet Ihr diesbezüglich an?
Bei uns gibt es, je nach Bedarf, verschiedene Inspektionspakete. Wir bieten Bronze-, Silber-, Gold- und Platin-Pakete an. Während Silber der Standard-Service ist, wird bei Platin das Fahrrad komplett in seine Einzelteile zerlegt und wieder neu aufgebaut. So stellen wir sicher, dass alles bis zur letzten Schraube perfekt in Ordnung ist und alle Lager richtig gefettet wurden. Das ist vor allem für Kunden sinnvoll, die ihr Fahrrad als Pendlerrad und für den Berufsverkehr nutzen. Diese Fahrräder legen 4000 - 6000 km jährlich zurück. Meiner Meinung nach, wäre so eine Inspektion deshalb einmal im Jahr Pflicht. Es gibt dafür zwar keine gesetzliche Grundlage, aber die meisten Hersteller geben ähnliche Intervalle vor. Leider ist nicht genau festgelegt, was bei der Inspektion gemacht werden muss und es gibt keine Standards. Einige Geschäfte nehmen es mit dem Service deshalb nicht so genau. Man sollte als Kunde ein bisschen blickig bleiben und genau erfragen, was bei der Inspektion gemacht wird. Es kann zusätzlich beim Hersteller erfragt werden, welche Maßnahmen dieser empfiehlt. Transparenz ist hier sehr wichtig, deshalb bekommen unsere Kunden einen Serviceplan für ihr E-Bike ausgehändigt. In diesem wird genau festgehalten, welche Arbeiten unsere Mechaniker am Fahrrad durchgeführt haben, in welchem Zustand sich das Rad befindet und welche Service-Schritte in Zukunft nötig sind. So können wir sicherstellen, dass sich die E-Bikes unserer Kunden stets im besten Zustand befinden und hundertprozentig funktionieren. Wir bieten auch Leasingmodelle für Privat- und Firmenkunden, inklusive Service, an. Hier ist es einfach, denn die Leasingbank gibt vor, wann und was an den Fahrrädern gemacht werden muss.
Danke für die umfangreichen Informationen. Wir wünschen dir und deinem Team weiterhin guten Fahrtwind und freuen uns auf weitere Projekte!
Immer wieder gern. Falls noch Fragen bestehen, das Interesse am Kauf eines E-Bikes geweckt wurde und ein Fachhändler oder Servicepartner gebraucht wird, sind wir natürlich jederzeit zu erreichen.